Samstag, 17. Februar 2007

Die Brutalität der Schiebung

Alle Jahre wieder bricht der Winter über uns herein und taucht das Land in ein herrliches Weiß. Die Stadt verharrt einen Moment, als wäre die Zeit stehen geblieben. Nur selten sieht man Leute über die schneebedeckten Strassen huschen, der Verkehr ist auffällig ruhig. Ein Zustand der so schön sein könnte, wären da nicht ein paar übereifrige Mitbürger, die lautstark gegen diese heile Welt Stimmung machen.

Unlängst lieg' ich im Bett und genieße die Stille, die das winterliche Treiben mit sich gebracht hat. Meine Augenlider scheinen Ästen gleich, die unter der Schwere des Schnees langsam zu Boden sinken. Plötzlich schrecke ich ob eines verstörenden Geräusches auf. Ich lausche eine kurzen Moment, wende mich zur Seite und versuche erneut einzuschlafen. Wenige Sekunden später zucke ich erneut zusammen, denn das unsägliche Geräusch kehrt wieder. Diesmal habe ich es allerdings erkannt, denn es ist nicht das erste Mal, dass mir solch ein Laut zu Ohren kommt. Direkt unter meinem Fenster hat sich offensichtlich jemand dazu auserkoren gefühlt, die Gehsteige der gesamten Gasse mit einer riesigen Schneeschaufel frei zu räumen. Um drei Uhr morgens, bei dichtem Schneefall!

Ich liege nun am Rücken und lausche diesem äußerst störenden Vorhaben, dass mir wie eine Ewigkeit vorkommt. Dabei drängen sich mir in fast sekündlichem Rhythmus Fragen über den Sinn der Sache auf: Wer zum Geier tut mir das nur an? Welchen Grund mag jemand haben, sich mitten in der Nacht in die Kälte zu stellen, um den zu dieser Zeit kaum benutzten Gehsteig vom Schnee zu befreien? Und vor allem, denkt derjenige daran, dass in einer Stunde wieder alles weiß ist, weil es ja noch immer dicke Flocken rieselt? Die monotone Schieberei und meine Gedankenspiele lassen mich jedoch bald wieder einschlafen. Ich träume von einer Begegnung mit Gott. Wir stehen uns an einer Weggabelung in einem Wald gegenüber. Gott hebt seine mächtige Hand und legt seinen langen, knochigen Zeigefinger auf seine Lippen. Stille kehrt ein. Wir sehen uns tief in die Augen und nach wenigen Minuten öffnet er seinen Mund, um mir offensichtlich etwas wichtiges mitzuteilen. In diesem Augenblick dringt aus dem Unterbewusstsein das Geräusch einer Schneeschaufel in meinen Traum und reißt mich unsanft aus dem Schlaf. Halbwach höre ich Gott noch lautstark lachen, ehe ich mich verzweifelt ins Wohnzimmer begebe und den Fernseher anknipse. Kurz darauf döse ich dann endlich ein, begleitet von den Klängen auf der Strasse und dem Wortgewitter einer deutschen Talkshow-Wiederholung.


gump

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