Mittwoch, 23. Mai 2007

Das Fehlen der Vorsicht

Mein Fahrrad ist mir das liebste Transportmittel in der Stadt. Bis auf wenige Wochen im Jahr bewege ich mich damit fort. Allerdings nicht ohne den anderen Verkehrsteilnehmern den nötigen Respekt zu zollen. Denn wenn ich nicht aufpassen würde, wäre wohl schon so mancher Fußgänger unter der Erde!

Begonnen hat alles zu Jahresbeginn, als ich mit dem Fahhrad auf dem Weg nach Hause bin. Ich biege um eine Ecke, da latschen mir doch vier Wehrdiener ohne zu Schauen direkt vor mein Bike. Ich bremse quietschend und komme knapp vor ihnen zum Stehen. Mein Herz schlägt schnell, mir rinnt eine Schweißperle die Stirn runter. Einer von ihnen kommentiert die Situation mit folgenden Worten: „Na Serwas, da is a Radlfahrer!“, die anderen drei lachen und gehen weiter.

An diesem Tag habe ich mir eines vorgenommen: Ich zähle mit! Ich zähle mit, wie viele Leute aufgrund ihrer eigenen Unachtsamkeit im Straßenverkehr und in weiterer Folge durch mein Bike verletzt werden würden. Ein kleines Spiel sozusagen! play the game, play the game, play the game.

Ein paar Tage darauf eine ähnliche Situation: Die Ampel zeigt „grün“, ich biege um die Ecke. Ein Herr überquert bei „rot“ den Zebrastreifen und bemerkt nicht einmal, dass er soeben um Haaresbreite davon gekommen ist. Natürlich habe ich versucht ein Warnsignal auszusenden, aber meine klitzekleine Fahrrad-Glocke gibt ein derart schwaches Geräusch von sich, dass nicht einmal ich es wirklich wahrnehme. Aber egal, der Herr – Nummer fünf auf meiner Liste - hatte Glück.

Mittlerweile habe ich das Zählen aufgegeben, denn es häuften sich derartige „Vorfälle“ geradezu mysteriös. Als würde mein kleines Spiel nicht nur von mir gespielt werden. Was jedoch bleibt, ist der regelmäßig wiederkehrende Ärger über die Dummheit der Menschen. Ein Freund von mir bringt es auf den Punkt: „Des Ärgste wos gibt, san de Leit!“ - wohl die größte Erkenntnis ever.

Wenn ich also jetzt mein Fahrrad durch die Straßen von Wien lenke, habe ich stets ein wachsames Auge auf meine Umwelt und den Finger auf der Glocke. Und ich habe gelernt in Gefahrensituationen sofort „Aufpassen!“ zu schreien. Ich bin also gerüstet!

Dennoch überlege ich manches Mal, ob ich nicht einfach genauso naiv reagieren sollte, wie die Dame von letzter Woche, die ich leider nur knapp nicht erwischte und die ohne zu Schauen auf die Lerchenfelderstraße trat. „Ups. Tschuldigung!“

gump

Samstag, 3. März 2007

Die Überheblichkeit des Vierrads

Ich bin ja nicht nur Autofahrer, ich fahre auch Rad. Denn mitunter ist man in der Stadt mit dem Drahtesel um vieles schneller, als mit der ollen Blechdose auf vier Reifen. Wären da nicht wieder ein paar äußerst zuvorkommende Mitbürger, die diese im Grunde zutiefst entspannende Tätigkeit zu einer regelrechten Qual machen.

Erst heute bin ich auf meinem Mountainbike durch die Straßen gejetet. Wohlgemerkt, ich fahre ein den allgemeinen Verkehrsvorschriften entsprechendes Vehikel, mit Klingel, Vorder- und Rückstrahler, Katzenaugen und funktionierenden Bremsen. Ich kurve also durch die Stadt, genieße das herrliche Wetter und trälere ein fröhliches Lied der Gruppe Queen. „I want to ride my bycicle, i want to ride my bike...“. Plötzlich aber schneidet mich ein Auto von links und drängt mich Richtung Randstein ab, sodass ich eine Vollbremsung hinlege, dass es nur so eine Art hat. Ich frage mich, ob Freddie Mercury je in einer Großstadt mit dem Fahrrad unterwegs war?

Eine unbekümmerte Arroganz steht dem Fahrer ins Gesicht geschrieben, die ich über seinen inneren Rückspiegel beobachte und mit einem bösen Blick und Kopfschütteln kommentiere. Sofort fällt mir ein Name für den Rüpel ein: „Arno, der Verdränger“. Dieser aber hat mich nicht einmal gesehen und steuert seine Rostschüssel noch weiter zum Gehsteig. Bei der nächsten Ampel überhole ich ihn rechts und schüttel erneut meinen Kopf. Der Fahrer grinst mich verständnislos an und gibt wieder Gas. Ich überhole ihn ein zweites Mal und setzte meine Fahrt exakt vor ihm fort. Nicht unbedingt, um ihn zu ärgern, eher weil für einen weiten Teil meiner restlichen Strecke am rechten Fahrbahnrand nun Kopfsteinpflaster beginnt.

Ich fahre also eine Weile am äußersten Rand des ebenen, glatten Straßenteils, so, dass wirklich jeder Autofahrer ohne Rücksicht auf den Gegenverkehr gemütlich an mir vorbeikommt. Aber was macht mein Freund von vorhin? Er hupt und langsam beginnt er mich zu nerven. Ich winke ihn vorbei, doch er hupt wieder. Aber nicht nur er. Auch die Autos hinter ihm haben mit einem durchaus rythmischen Hupchor begonnen. Soviel Dummheit muss bestraft werden, denke ich und ich drücke den kleinen roten Knopf an meiner Lenkstange. „Friss Dreck, Arno!“, sage ich leise und hinten sprudelt literweise Öl aus einer extra für solche Anlässe angebrachten Vorrichtung. TÜV-geprüft, versteht sich. Aber halt, Schluß mit den Tagträumerein. Ich lenke mein Bike in eine freie Parklücke und lasse ihn ziehen. Der Klügere gibt nach, wenn auch enttäuscht. Am Abend denke ich noch einmal zurück an mein Erlebnis mit Arno und krame aus meiner Videosammlung „Ben Hur“ heraus, ein Klassiker der „fahrenden Feindschaften“. Als Inspiration für einige Veränderungen an meinem schicken Fahrrad...

gump

Samstag, 17. Februar 2007

Die Übertriebenheit des Guten

Nicht oft begegnet man in einer Großstadt freundlich gesinnten Zeitgenossen. Und Freundlichkeit ist nett. Zuviel davon kann allerdings bald zu genervtem Unwohlsein führen. Und genau das kann einem ganz schön den Tag vermiesen.

Neulich war ich wieder einmal shoppen. Zwangsläufig musste ich in diversen Schuhgeschäften Halt machen, denn meine Schuhe hatten sich langsam in ein dreckiges Stück Leder verwandelt. Ich überwinde mich also und betrete einen Laden auf irgendeiner Einkaufstrasse. Gleich zu Beginn blickt mir eine etwas biedere Dame vom Verkäuferkollegium in die Augen, um sich auf diese Weise meine geheimsten Wünsche per Gedankenlesen anzueignen. Hilflos stolpere ich die ersten paar Zentimeter durch den Laden, als sich eben diese Dame lautlos von hinten an mich heranmacht. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragt sie mich. „Nein danke, ich sehe mich nur ein wenig um!“ antworte ich. Anscheinend nicht bestimmt genug, denn sofort kontert sie mit dem argumentativ äußerst fundierten Satz „Die Herrenschuhe befinden sich einen Stock tiefer.“ Ich folge ihr also nach unten. Dort angekommen, dreht sie sich um und versucht mich erneut in ein Gespräch zu verwickeln. „Suchen sie etwas Bestimmtes?“ Klar, ich hätte ihr mit irgendeinem Designermodell aus 1987 kommen können, jedoch fehlt mir in diesem Moment der Mut für solch eine Rüpelhaftigkeit, noch dazu, weil mir just kein realistisch klingender Name für ein Herrenschuhmodell einfällt. „Naja, ich suche etwas Sportliches. Und doch sollte es elegant sein.“. Freilich eine Kombination, die gerade bei Herrenschuhen als praktisch unmöglich gilt. Nach ungefähr einem Dutzend „Und wie wäre es mit diesen?“ gebe ich auf und schnauze die Dame grob an. „Nein, die gefallen mir nicht. Haben sie keine normalen Schuhe?“. Verdutzt sieht sie mir in die Augen. Ein Lächeln macht sich breit. „Leider, wir sind derzeit etwas knapp, denn nächste Woche kommen die neuen Kollektionen. Sie können uns jedoch wieder beehren, dann finden wir bestimmt etwas Passendes für sie. Ich berate sie gerne wieder!“ Nein, danke. Soviel Freundlichkeit ist nicht gut für meine Seele. Raus aus dem Laden und rein ins nächst beste Stehcafé. Ich öffnen die Tür und... „Willkommen bei Tschibo! Kann ich Ihnen helfen?“. Sanft schließe ich die Tür von außen wieder und steige wenige Minuten später in den Bus, der mich nach Hause bringt.

gump

Die Brutalität der Schiebung

Alle Jahre wieder bricht der Winter über uns herein und taucht das Land in ein herrliches Weiß. Die Stadt verharrt einen Moment, als wäre die Zeit stehen geblieben. Nur selten sieht man Leute über die schneebedeckten Strassen huschen, der Verkehr ist auffällig ruhig. Ein Zustand der so schön sein könnte, wären da nicht ein paar übereifrige Mitbürger, die lautstark gegen diese heile Welt Stimmung machen.

Unlängst lieg' ich im Bett und genieße die Stille, die das winterliche Treiben mit sich gebracht hat. Meine Augenlider scheinen Ästen gleich, die unter der Schwere des Schnees langsam zu Boden sinken. Plötzlich schrecke ich ob eines verstörenden Geräusches auf. Ich lausche eine kurzen Moment, wende mich zur Seite und versuche erneut einzuschlafen. Wenige Sekunden später zucke ich erneut zusammen, denn das unsägliche Geräusch kehrt wieder. Diesmal habe ich es allerdings erkannt, denn es ist nicht das erste Mal, dass mir solch ein Laut zu Ohren kommt. Direkt unter meinem Fenster hat sich offensichtlich jemand dazu auserkoren gefühlt, die Gehsteige der gesamten Gasse mit einer riesigen Schneeschaufel frei zu räumen. Um drei Uhr morgens, bei dichtem Schneefall!

Ich liege nun am Rücken und lausche diesem äußerst störenden Vorhaben, dass mir wie eine Ewigkeit vorkommt. Dabei drängen sich mir in fast sekündlichem Rhythmus Fragen über den Sinn der Sache auf: Wer zum Geier tut mir das nur an? Welchen Grund mag jemand haben, sich mitten in der Nacht in die Kälte zu stellen, um den zu dieser Zeit kaum benutzten Gehsteig vom Schnee zu befreien? Und vor allem, denkt derjenige daran, dass in einer Stunde wieder alles weiß ist, weil es ja noch immer dicke Flocken rieselt? Die monotone Schieberei und meine Gedankenspiele lassen mich jedoch bald wieder einschlafen. Ich träume von einer Begegnung mit Gott. Wir stehen uns an einer Weggabelung in einem Wald gegenüber. Gott hebt seine mächtige Hand und legt seinen langen, knochigen Zeigefinger auf seine Lippen. Stille kehrt ein. Wir sehen uns tief in die Augen und nach wenigen Minuten öffnet er seinen Mund, um mir offensichtlich etwas wichtiges mitzuteilen. In diesem Augenblick dringt aus dem Unterbewusstsein das Geräusch einer Schneeschaufel in meinen Traum und reißt mich unsanft aus dem Schlaf. Halbwach höre ich Gott noch lautstark lachen, ehe ich mich verzweifelt ins Wohnzimmer begebe und den Fernseher anknipse. Kurz darauf döse ich dann endlich ein, begleitet von den Klängen auf der Strasse und dem Wortgewitter einer deutschen Talkshow-Wiederholung.


gump

Dienstag, 30. Jänner 2007

Die Grausamkeit des Flusses

Ich fahre einen Opel. Aber ich überlege ernsthaft, ob ich mir nicht einen Mazda zulege. Denn die Bemühungen, die der japanische Autokonzern an den Tag legt, sollten belohnt werden. Wovon ich rede, ist der Mazda 3 Werbespot, in dem ein Hund an das rechte vordere Eck eines Auto pinkelt. Kurz darauf öffnet sich rechts oben, als aufklappbarer Scheinwerfer getarnt, ein genau für diesen Zweck installierter Spritz-Mechanismus, der im Gegenzug den Hund voll nässt. Genial! Auf so etwas warte ich schon seit Jahren.

Denn immer wieder passiert es mir, dass ich unverschämte Hundebesitzer dabei beobachte, wie sie ihre noch unverschämteren kleinen Vierbeiner auf die Vorderseite verschiedenster Fahrzeuge urinieren lassen. Noch unerträglicher wird es, wenn ich mich gerade selbst im Auto befinde und sich so ein „ich pisse auf die ganze Welt“-Duo auf mein Auto zu bewegt, anhält und die kleine Bestie anschließend auf meinen Kotflügel äußerlt. Im Regelfall dreht sich der Besitzer mit einem unschuldigen Blick zur Seite und lobt nach erledigtem Geschäft das Drecksvieh auch noch mit den Worten „Brav Bubi, so is recht!“. Leider hatte ich in der Vergangenheit noch nicht den Mut aufbringen können, aus dem Auto zu springen und vom Missetäter eine Reinigung meines Wagens einzufordern.

Der Gipfel dieser Grausamkeit ist allerdings, wenn sich die Hunde an allein stehende Fahrräder heranmachen, sie von oben bis unten voll sauen. Nur einmal habe ich solch eine Tat mit meinem berühmt, berüchtigtem bösen Blick kommentiert, der dem Besitzer hoffentlich im Gedächtnis geblieben ist.

gump

Freitag, 26. Jänner 2007

Die Ästhetik des Unbedruckten

Selten, aber doch raffe ich mich dazu auf mich neu einzukleiden. Meistens dann, wenn ich eigentlich gar keine Lust dazu habe. Dennoch verspüre ich jedoch in regelmäßigen Abständen den Drang mich selbst in stundenlange Entscheidungskämpfe zwischen zwei verschiedenen Pullis oder T-Shirts zu verwickeln, um mich auf eine recht oberflächliche Art selbst zu erneuern. Und immer wieder fällt mir folgendes auf: es gibt kaum einen Laden, der sich auf meinen Geschmack spezialisiert hat. Und das, obwohl es so einfach wäre. Ich weiß nicht, wie es ihnen geht, aber ich bevorzuge simple, einfärbige Kleidung, deren Schönheit sich durch das Fehlen eines Aufdrucks offenbart. Modedesigner sehen das offensichtlich anders.

Denn kaum ein Kleidungsstück verfügt heutzutage mehr über diese schlichte Eleganz, die ein einfaches Schwarz oder ein farbenfrohes Rot ausstrahlt. Überall springen einem diese schrecklichen Schriftzüge und Bilder ins Auge und aufgenähte Trademarks in überdimensionaler Größe lassen mir das Mittagessen hoch kommen. Seien sie ehrlich? Gefallen ihnen bedruckte T-Shirts? Oder bin ich auf dieser Welt der einzige Verfechter bodenständiger Dresscodes? Nein. Gott sei Dank!

Neben mir schieben zwei junge, weibliche Fashionvictims Kleiderbügel für Kleiderbügel zur Seite, um ein passendes Modell für ihre Ansprüche zu finden. Plötzlich hören meine spitzen Ohren folgenden Satz: „Das Leiberl wär echt cool, aber immer schreiben`s so einen Scheiss drauf. Schade!“. Der Tag ist gerettet, die unbrauchbaren Aufdrucke haben verloren. Und eines Tages werde ich selbst zur Tat schreiten, und meine eigene Kollektion auf den Markt schmeißen. Marke unbedruckt! Bis dahin werde ich mich allerdings mit der stumpfsinnigen Spruch-Ästhetik abfinden müssen, wie ich es vor wenigen Tagen mit dem Kauf eines bedruckten T-Shirts schon versucht habe. Darauf stand auf türkisem Hintergrund in großen, orangen Lettern: The End.
gump

Dienstag, 23. Jänner 2007

Das Phänomen der Hälfte

Neulich sitze ich beim Chinesen und freue mich auf mein Mittagsgericht mit Curry-Reis und Huhn. Noch ahne ich nicht, dass meine Aufmerksamkeit in wenigen Minuten auf ein kleines, aber für mich unerklärliches Phänomen gerichtet sein wird. Manche Dinge haben einen Grund. Trotzdem sind sie oft nicht verständlich und bringen einen zum Verzweifeln. Ein Glas Soda mit Zitrone gehört genau zu diesen Dingen.

Ich sitze also im Lokal und bestelle mein Getränk, ein Glas Soda mit Zitrone eben. Und wie es der Zufall will, findet sich in meinem Glas tatsächlich ein Stück Zitrone. Allerdings nur die Hälft davon. Ich denke mir nichts dabei und setze zum wohlverdienten Schluck an, als sich die Zitronenhälfte während des Glashebens direkt auf die Seite meines Mundes dreht. Ich mache einen unbefriedigenden Schluck, stelle das Glas zurück auf den Tisch und beobachte, wie sich die Hälfte wieder zurück auf die gegenüberliegende Seite des Glases dreht.

In diesem Moment überkommt es mich und ich nehme einen weiteren Schluck. Wieder rotiert die kleine, gelbe Scheibe herum und versperrt den Zugang zu meinem Mund. Ich lasse das Glas sinken und setzte es erneut auf den Tisch. Was geht hier vor sich? Völlig verdutzt probiere ich es ein drittes Mal. Wieder das selbe, nur diesmal werde ich leicht nervös. Ich sehe mich um. Außer mir trinkt keiner Soda, geschweige denn Cola mit Zitrone.

Ich frage mich, ob es vielleicht helfen würde, nicht daran zu denken und beginne ein Gespräch mit meiner Freundin, die mir gegenüber sitzt und von meiner kleinen Panik nichts ahnt. Zwischendurch nehme ich einen Schluck. Erwischt! Die Zitrone hat nur eine halbe Drehung vollzogen. Höchst entzückt ob meiner genialen Verwirrungstaktik lasse ich es bleiben. Der Kellner bringt mir mein Essen, worauf hin ich genüsslich in mich hinein schaufle und mit meiner Freundin weiter plaudere. Ein paar Minuten später ist der Teller leer und wir winken den Kellner herbei, um zu zahlen. Ich blicke in mein Glas, das ebenfalls leer ist. Geschafft!

gump

Die Absicht der Langsamkeit

Immer wieder passiert es mir, dass ich mich bei diversen Shoppingtouren einbremsen muss, weil mir irgendein Schwarm dahergelaufener Ebenfalls-Shopper vor die Füße läuft. Und das meistens genau dann, wenn ich selbst gerade so schön im Gleichschritt über die Einkaufsstrasse trotte. Meistens fällt mir dabei eine Textpassage der deutschen Indie-Rocker Tocotronic ein, die in einem ihrer Songs die völlig berechtigte Frage stellen: „Gehen die Leute auf der Strasse eigentlich absichtlich so langsam?“. Und ich stelle mir diese Frage auch!

Was aber ist der Grund für dieses nervenaufreibende Verhalten?

Liegt es vielleicht daran, dass ich schlicht zu schnell für diese Welt bin? Oder gibt es Leute, die sich mit Absicht der Langsamkeit verschrieben haben, um ihre Mitmenschen zu provozieren? Und gerade als ich der Beantwortung dieser Fragen auf den Zahn fühle, latscht mir jemand direkt von hinten in mein Kreuz.

Gehöre ich etwa auch zu denen? Bin ich ein Teil dieser, sich gegen alle Geschwindigkeit verschworenen, Bewegung? Ich verweile einen kurzen Augenblick an Ort und Stelle, um mir diese Gedanken durch den Kopf gehen zu lassen. Aber kaum komme ich wieder zu mir, da pöbelt mich schon der nächste an: „Kannst du nicht schneller gehen?“.

Völlig verunsichert setzte ich mich ins nächste Kaffee, um neuen Mut zu tanken und anschließend auf dem kürzesten Weg ins traute Heim zurückzukehren. Auf dem Weg dahin, getrieben von ungebändigter Wut und purem Selbsterhaltungstrieb, hat sich nichts geändert. Der gleiche schlurfende Mob, der mir noch vor wenigen Minuten das Leben zur Hölle gemacht hat. Erneut fällt mir eine Textzeile von Tocotronic ein, die da lautet: „Jetzt geht wieder alles von vorne los“. Diesmal allerdings finde ich mit meinem kleinen, unbedeutenden Problem ab und füge mich der Masse, um ein Teil von ihr zu werden.

gump